BAAL LEBT ______________________________

Inzwischen entwirft irgendwo in einem Gebiet am äußersten Rand des Reiches eine Schar von Verrückten und Narren die Anfänge eines neuen Zeitalters. Sie nehmen bunte Farben, schnupfen und trinken einen guten Teil davon, lachen viel und malen sich einem strahlenden, karmesinroten Sonnenaufgang entgegen. Sie leiden bittere Not und ihre Erträge sind auch nicht besonders, aber sie haben etwas Gewinnendes an sich; sie scheinen von Leben erfüllt zu sein.
Der Narr fragt: Baal lebt? Hohe Belili, trittst du nicht aus dem heimlichen Schatten deiner späteren Schwester? Hat nicht dein Zürnen ein Ende? Und wäre Baal tot, du bliebest vergangenen Zeiten treu auf immer, Windsängerin.
Doch Baal ist tot und irgendwie weiß heute ja sowieso keiner mehr so genau, ob es ihn wirklich gegeben hat, oder ob er nur ausgeklügelte Software war und Pumuckl, dem lustigen Kerlchen mit dem roten Bauch, ähnlich gesehen hat. Hauptsache: SIE reden darüber.
Eine Schar von Verrückten und Narren reden darüber, WO sie darüber reden sollen; sie reden darüber, worüber sie reden sollen. Fragen nicht nach dem WIE. Das WARUM bleibt auf der Strecke. Sie reden darüber, daß es langweilig ist, DARÜBER zu reden. Sie reden über die technischen Schwierigkeiten, die das Reden erschweren. Reden sie miteinander? Reden sie aneinander vorbei, über einander hinüber? Sie leiden bittere Not und ihre Erträge sind auch nicht besonders, aber sie haben etwas Gewinnendes an sich; sie scheinen von Leben erfüllt zu sein.
Eine Schar von Verrückten und Narren träumen nur: der POP funktioniert nicht. Sie essen das Brot ihrer Rede. Sie nehmen bunte Farben, schnupfen und trinken einen guten Teil davon, lachen viel und malen sich einem strahlenden, karmesinroten Sonnenaufgang entgegen. Sie wenden, an ihren Drähten hängend, die Zunge zur Erde und sagen: es ist genug. Sie legen die Beine hoch auf die Kanten von Stühlen und sagen: Laßt uns darüber reden. Die Stühle sind echt! Und die Reden mehr recht als schlecht.
SIE BESCHWEREN SICH.
Eine Schar von Verrückten und Narren reden darüber, wie Einzelne es doch unterschiedlich verstehen, wenn man darüber redet, und daß das doch selbstverständlich sei.
Selbst- Ver-ständlich? Selbst verstehen?
Selbst stehen? Selbst gehen? -
IST DAS MEIN VERDIENST?
Eine Schar von Verrückten und Narren haben Besprechungen. Sie besprechen die Welt. Sie besprechen die Welt wie sie Warzen besprechen, Schwarten, das Wachsen der Gräser, den Sturm, das Knicken der Äste im Wind. Die Welt! Einem jeden die seine, perfekt konfiguriert und mir die meine oh Macht über diese eine, meine kleine Welt! O, Macht, welche Ohnmacht!
Sie nehmen bunte Farben, schnupfen und trinken einen guten Teil davon, lachen viel und malen sich einem strahlenden, karmesinroten Sonnenaufgang entgegen. Sie analysieren die Probleme. Sie problematisieren alles, was klar ist und luzid. Sie diskutieren Herangehensweisen.; sie bemühen sich um die Verbreitung der Diskurse; sie ICHDUERWIR begehen den Diskurs von unten nach oben, von hier nach dort von dort nach hier. Ein Hin ist zum Her mit dem ganzen Heer. Manchen machen Spiele nur dann Spaß, wenn sie ständig die Regeln diskutieren können. Fragt sich, wem das weiterhilft.
Und wer zweifelt an diesem Begehren?....
Aber sie haben etwas Gewinnendes an sich; sie scheinen von Leben erfüllt zu sein. –
ABER VIELLEICHT BIN ICH MORGEN SCHON ANDERER MEINUNG!
Links, zwei, drei.... und rechtsum - was ich im Moment beobachte, ist eine ganz neurotische Fixierung auf indifferente Stellungnahmen! Kaum einer kümmert sich wirklich.
DU DARFST *NEIN* SAGEN
Ich glaube, daß es auch geistige Wurst gibt, die ungleich verteilt ist! SINN und Wahrheit sind hinfällig, sagt einer, der darüber redet. Wir werfen sie in die Luft, die Wahrheit, die geistige Wurst, als spielten wir mit Münzen. Heut' gilt die Zahl; mit dem Kopf hoab i heit nix am Hut! Wir ICHDUERWIR verwerfen den SINN, verwechseln den Ort. Sind selbst Verwerfung, fragen nix, wissen bloß schon mal und wollen nicht wissen, was wir nichts wissen, denn sagen SIE, BAAL LEBT.
Fragt nicht ihr werdet zu deuten sein!
WO IST BAAL?...Wenn BAAL tot ist, warum fordert er dann MENSCHENOPFER?...
BAAL FORDERT MENSCHENOPFER
Es gibt kaum etwas Schwierigeres, als zum Tod eines guten Freundes zu schreiben. Die Worte wollen nicht kommen und scheinen der Situation nicht gerecht zu werden. Und doch stellen sich dann Erinnerungen und Geschichten ein, zusammen mit einander widersprechenden Gefühlen.
Nichts bleibt, wie es ist. Am Anfang des Netzes steht das Ende der Bewahrer. Während sie sammeln und ordnen und administrieren ist alles längst ganz anders geworden und das, was dabei herauskommt, worüber dann zu reden wäre, hat keinen Platz mehr in der Welt, die dann auch schon ganz anders geworden sein wird und übermorgen wieder bis dann der Tag überhaupt nicht mehr aufgeht, aber das wissen wir schon. Wir leiden bittere Not und unsere Erträge sind auch nicht besonders. Wir werden administriert.
Es ist ja so viel angenehmer, von jemand anderem als sich selbst administriert und kontrolliert, so viel besser von einem anderen unterdrückt, kontrolliert, ausgebeutet, verfolgt und manipuliert zu werden als von sich selbst, daß man sich im allgemeinen kaum mehr Gedanken darüber macht, was man selbst täte, wenn man in dieser oder jener Lage wäre. Selbst wenn man je in diese oder jene Lage käme.
DIE BESCHLEUNIGUNG - BAAL TRÄUMT
Die Beschleunigung wirkt auf menschliche Gemeinschaften wie die Bombe, sagt Virilio - und schafft sich umgehend einen ISDN-Anschluß an. Ob jemand nun weiß, welche Bedeutung Baal noch hat, ist hierfür gar nicht mal relevant, oder?
Wüßten wir es, wüßten wir, daß Gemeinschaft nicht aus Diskursen wächst. Wüßten wir vom Leben jenseits der Diskurse, wären unsere Gemeinschaften nicht so leicht zu sprengen. Wüßten wir vom Leben jenseits der Gemeinschaften, kämen sie vielleicht gar nicht vor. Die Gemeinschaft wurde von der Gesellschaft abgeleckt, die Gesellschaft von der Masse. Die eine Hälfte der Masse - Masse ist Masse - umkreist die andere Hälfte der Masse. Und dann ist der Käse fertig und wir sind mitten im XXI. Jahrhundert und individuell, dann plötzlich, vielleicht, viduell, visuell. Oder nur noch virtuell. Vorsicht, warnt Virilio und hebt mahnend den Finger, denkt an die Beschleunigung, die Anziehungskraft - den Zusammenprall und die alte Hexe murmelt dazu: Mein Reich ist Furcht, mein Arm ist Rede, mein Lohn der Tod!
Inzwischen entwirft irgendwo in einem Gebiet am äußersten Rand des Reiches eine Schar von Verrückten und Narren die Anfänge eines neuen Zeitalters. Sie nehmen bunte Farben, schnupfen und trinken einen guten Teil davon, lachen viel und malen sich einem strahlenden, karmesinroten Sonnenaufgang entgegen. Sie leiden bittere Not und ihre Erträge sind auch nicht besonders, aber sie haben etwas Gewinnendes an sich; sie scheinen von Leben erfüllt zu sein.
WIR PRALLEN NICHT ZUSAMMEN. Darauf gebe ich MEIN EHRENWORT.
BAAL FORDERT MENSCHENOPFER
Baal amüsiert sich köstlich. Er thront über uns. Zeckenhaft, prallen und voll. Wir liefern ihm den Nährstoff....
 "Hope you're having a superly-NICE one tonight, a better day tomorrow, and great times forever more." Baal reicht mir frische Leber. Golem und ich bestehen auf Apfelschnitz und Zwiebelringen.
Wir schnupfen und trinken einen guten Teil davon, lachen viel und malen uns einem strahlenden, karmesinroten Sonnenaufgang entgegen. Das gehört sich so.
An unseren Göttern sollt ihr uns erkennen. Ihr? Ja, sie, die Anderen! Sie reden nämlich bloß, während sie über uns thronen und sich ernähren. Zuletzt, wenn Hand und Fuß gegessen sind, wird die Zunge die letzte Speise. Und, Astern unter den Zähnen, zwischen den tönernen Scherben der Schädel blühen endlich die Ohren.
Vor dem Zelt zerrt Mithras an seiner Leine. Ich, in Trance, die Kugel glimmt, tanz'.
Sie scheinen von Leben erfüllt zu sein. –
ABER VIELLEICHT BIN ICH MORGEN SCHON ANDERER MEINUNG!
Diese Möglichkeit ist gegeben. Der Gegenstand bleibt derselbe, aber ich gehe weiter, wechsle den Standort (Sitzort) und damit tun sich mir neue Perspektiven auf. Wie es scheint, kommt man mit freien unüberlegten Sachen immer wieder auf neue, interessante Zusammenhänge. Ich habe da so meine eigenen Ansichten; mir scheint das ein Fall zu sein, die dem Journalisten den Sprachgebrauch verwässern.
Inzwischen entwirft irgendwo in einem Gebiet am äußersten Rand des Reiches eine Schar von Verrückten und Narren die Anfänge eines neuen Zeitalters.
"STOP MAKING SENSE" war ein SONG ... _ FULL STOP_
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Mario Heguerta