Fragmente 11/9

 

Es ist fast 15.00 Uhr MEZ. Was vor einem Jahr zur selben Zeit passiert ist, weiss jeder: Die Welt geriet aus den Fugen. Wer konnte, hat sich über Spiegel-Online Informationen ergattert oder über CNN. Die Menschen in den Türmen - sie müssen so Unbeschreibliches durchlitten haben, ehe sie bei lebendigem Leib zerrissen, zerfetzt und verbrannt worden sind, dass es uns die Sprache verschlagen hat. Entsetzen war und Grauen. Wir schlossen unsere Seiten oder stellten Friedenstauben darauf. Am Abend dann die Absichtserklärungen der europäischen Regierungschefs über alle Fernsehkanäle: "Wir erklären uns mit den USA bedingungslos solidarisch".

Wer heute im Jahr 1 nach Ground Zero eine Zeitung aufschlägt, durch Online Zeitungen surft oder den Fernseher einschaltet, wird von der Bilderflut beinah erschlagen. Und wer sich nicht ab-, dafür den Kommentaren und Interviews zuwendet, wird davon fast erdrückt.

Der schweizerische Bundesrat hat eine Erklärung zum 1 Jahrestag abgegeben, die nichtssagend und deshalb noch einigermassen vertretbar ist.

Damian Hirst, ein vor allem in Großbritannien bekannter Künstler, der immer wieder mit unkonventionellen Äußerungen auffällt sagte gegenüber der BBC: "Ich finde, dass 9/11 ein Kunstwerk für sich war. Es war bösartig, aber es war für diese Art von Wirkung entworfen. Es war sehr visuell konstruiert." Natürlich wird diese Aussage jetzt um die Welt gehen; jeder wird wissen, was Damian Hirst sagt und keiner, was er je an Kunst geschaffen hat. Er ist tätig, - als Nachläufer auf Karl Heinz Stockhausen sozusagen, der sich bereits wenige Tage nach dem Terroranschlag mit einer ähnlich gescheiten Äusserung in die Analen der Geschichte eingeschrieben hat. - Wer mit seiner Kunst beim Publikum nicht ankommt, muss heutzutage wohl zu derart drastischen Mitteln greifen um zum "Künstler von Weltruf" zu werden. Ich kenne weder ein Kunstwerk, das von Damian Hirst geschaffen worden ist noch eines von Karlheinz Stockhausen. Aber diese Aussagen, die der "Guardian" als "künstlerisch" herausstreicht...

Geradezu unheimlich kreativ im gleichen Sinn wie Hirsch und Stockhausen gibt sich der deutsche Aussenminister Fischer am heutigen Tag, fordert er doch in der FRANKFURTER RUNDSCHAU Online den "Terror politisch zu besiegen". Die Lage für Saddam Hussein, so Fischer, würde nach einem Durchbruch der Nahost-Verhandlungen "extrem ungemütlich". Als hätte sich Saddam vor ungemütlichen Lagen jemals von irgend etwas abschrecken lassen, als liesse sich Hass so einfach in Nichts auflösen. Es wäre eine komisch - im wahrsten Sinn des Wortes - anmutende Forderung, vorgebracht in herzzerreissend naivem Gestammel während eines harten Wahlkampfes, in dessen Verlauf keiner mehr so richtig weiss, was er sagt und verspricht, wenn da nicht die Forderungen der deutschen Intellektuellen, mit denen sich Fischer mal ganz kurz kurzschliesst, wären, die in eine ähnliche Richtung weisen. -

Die Welt, so die Aussage der meisten der Vielen, habe sich nach dem 11.09.2001 nicht verändert. Das ist Humbug. Ungewissheit ist zur uns jede Minute unseres Lebens bewusst gemachten Realität geworden. Natürlich ist es dieselbe Ungewissheit, die uns unser ganzes Leben lang begleitet, selten aber im Vordergrund unseres Handelns und Trachtens steht. Machtlosigkeit macht sich breit. Eine Folge davon bekommen sehr viele Menschen zu spüren: Es crasht bedenklich im Weltwirschaftsgebälk. -

Die Absicht der Amerikaner, sich an allen Terroristen und den Staaten, welche den Terror unterstützen zu rächen, versetzen in Angst und Schrecken.

Angst und Schrecken verbreiten aber auch die Europäischen Regierungsparteien, die meinen, Terroristen liessen sich mit ein paar Euros, einem Gespräch und ein wenig Schulterklopfen in verdiente Friedensnobelpreisträger umfunktionieren.

Der 11/9 ist ein furchtbarer Tag für alle Menschen, die meinen in einer zivilisierten Welt zu leben: Niemand ist mehr Herr der Lage.

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