Netzliteratur - (k) eine Definition

Essay 1997

Es wird an "Denkmodellen" herum studiert und gebastelt, nach "gemeinsamen Gedankengängen" – als gäbe es solche – gesucht, Thesen erblicken das Licht, das von einem Ort namens Nirgendwo her kommt, der Bildschirmwelt, werden diskutiert, verfestigt, verworfen oder eingestampft. Gesucht wird nach einer sinnstiftenden Definition, einer Gemeinsamkeit, die nur das Einverständnis kennt.
Es folgt – und dies könnte durchaus auch anders sein - meine eigene "netzliterarische Utopie". Da das Internet, das WorldWideWeb als einzige Anordnung von Formenvielfalt, Einzigartigkeit zu bewahren vermag und zugleich als Ganzheit arbeiten kann, erträgt es jeden Versuch, die Tragweite eines bestimmten Gedankens, der bereits, wenn auch nur lose, in das Wort "Netzliteratur" verpackt worden ist, zu ermessen, dessen Grenzen zu ertasten und zu überschreiten. Ein solches Vorgehen ist weder besser noch schlechter, als das Definieren durch Her- und Ableiten.

Ein Gedanke - dem Hirn entrissen, aus dem Hirn geklaubt, an die Fingerspitzen weiter geleitet und über die Tastatur aufs Netz gebracht, wird zu einem Satz, zu einer Aussage. Ein Gedanke. Ein einziger - verwandelt und in Worte gefaßt. –

Daraus kann ein Gedicht entstehen, eine Kurzgeschichte, eine Legende, eine thematisch gebundene Abhandlung, ein Vortrag, ein Roman, eine Erzählung...

Wenn ich diesen einen in Worte gefaßten Gedanken aufs Netz überspiele und ein Leser dieses einen Gedankens über eben diesen nachdenkt, seine Gedanken dazu ebenfalls in Worte faßt und aufs Netz überspielt, wir die beiden Gedanken miteinander verlinken – ist das noch nicht unbedingt Netzliteratur. Es kann aber durchaus der Anfang zu einem Stück Netzliteratur sein, sofern die beiden miteinander verlinkten Gedanken zum Weiterdenken, zum Weiterschreiben, zum Weiterverlinken Anlaß geben und daraus ein Gedicht, eine Geschichte, eine Erzählung entsteht.

Ob es sich dabei um eine neue Kunstrichtung handelt, vermag wohl noch keiner zu sagen. Fest steht, daß wir uns inmitten eines kulturellen Wandels befinden. Doch was heißt das schon an einem Ort, wo die gesamte Geschichte der Menschen, der Menschheit, eine Geschichte des kulturellen Wandels ist? Noch kann niemand schlüssig beweisen, daß Lernen und Verhalten Informationen an die Gene weitergeben können; bewiesen werden kann lediglich das Umgekehrte, d.h., daß Gene Informationen an Lernen und Verhalten weitergeben können. Können. Nicht müssen. Träfe nun ersteres zu – und es ist nicht einzusehen, warum es nicht zutreffen sollte und eines Tages sogar ein Beweis dafür gefunden werden wird – so läge es durchaus im Bereich des Möglichen, daß der menschliche Geist sich mit der Zeit durch den Computer vom Denken entlastet. (Das Fleisch ist ganz bestimmt bereit, auch diesen Teil der täglichen Plagen aufzugeben, sofern es die Möglichkeit dazu bekommt.)

Das hieße dann im Endeffekt: Es gibt nur noch von Computern produzierte Literatur und das - das wird sicherlich kaum zu widerlegen sein – wäre endlich wirkliche Netzliteratur. Computer qua Computer – übers Netzwerk, übers Netz auf dem WorldWideWeb.

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