Früher, das heisst vor Jahrzehnten, als wir uns noch auskannten mit den Sternen, sagten wir, "Sirius" und jeder wusste, dass der allerhellste Stern im Sternbild des "Canus Major" gemeint war. Heute reden wir vom "Offenen Sternhaufen M41" und der wunderschöne, helle Stern darin heisst schlicht "alpha CMa".
Wir reden nicht mehr vom Haupt der Medusa, vom Wendekreis des Krebses, vom Grossen Bären oder von Antares, wenn wir zum Sternen übersäten Himmel aufschauen. Die Nacht hat ihre Riesen und Ungeheuer verloren, der Sextant Sinn und Zweck - und wir unsere einst exakt berechneten Positionen. Es gibt keine Sterne mehr - nur noch sorgfältig katalogisierte Galaxien.
Bernikes Haar
"Der Stern" existiert heute kaum mehr. Die Astrophysik befasst sich so wenig mit ihm wie die Biologie mit dem Leben befasst ist oder die Physik mit der Materie. Wörter wie "Stern", "Leben", "Materie" gehören einer Sprache an, die aufgrund der Anforderungen an die Exaktheit, die Genauigkeit und der ungeheuren Dynamik aufgegeben worden ist. Wer heute das Wort "Stern" in den Mund nimmt, gibt die Präzision und den Blick auf "das Ding an sich" auf. An die Stelle der Ausdrücke Stern, Leben, Materie sind Codes, Berechnungen, Taktiken und Spekulationen getreten. Die wissenschaftlichen Codes verschlingen unsere Sprache; sie fressen sie auf. Was bleibt sind unscharfe, verwackelte Umrisse...