"Der Schuss des Jägers"
Rafael Chirbes
ist die Geschichte eines skrupellosen Vollblutmachos, der im Spanien
des General Franco Karriere macht.
Carlo Ciscar, der Icherzähler, ein gebrochener Greis, der vom Leben
nicht mehr viel mehr erwartet, als daß "bald der Schuß des Jägers
ertönen wird", bäumt sich ein letztes Mal gegen Leere und Vergänglichkeit
auf: er schreibt sein Leben nieder. Sehr diszipliniert und schonungslos
ehrlich zupft er biographische Versatzstücke aus seiner Vergangenheit
und hält diese schriftlich fest...
In einer Kate, einer winzigen Hütte eines Bauerndorfs wird Carlos geboren;
er wächst in dem Dorf auf, entwächst den Kinderschuhen, kehrt dem
ärmlichen Elternhaus den Rücken, wird Chauffeur und findet in Eva,
der Tochter des Hauses, die Frau, deren Sinn für Form und Stil,
deren "höherer Stand", er begehrt. Er heiratet Eva, die
ihm die Aufnahme in die "gehobenen" Kreise der spanischen
Gesellschaft ermöglicht...
Nach außen steht Carlos für Recht, Ordnung und Anstand; hinter
verschlossenen Türen und auf Dienstreisen jedoch versucht er die
gähnende Leere hinter der Fassade zu füllen; er setzt beim "Roulette
des Fleisches" auf Zahl und siegt! In dem Ausmaß, in dem Carlos
Gelder anhäuft, geht ihm der Bezug zu seiner Familie, zu den Menschen,
die ihm im Grunde wichtig sind, verloren: Eva flüchtet in die Musik;
der Sohn wendet dem "vulgären Reaktionär" den Rücken zu
und die Tochter stirbt auf einer Reise durch Marokko. Der Tod von
General Franco setzt dem unaufhaltsamen gesellschaftlichen Aufstieg
des Carlos Ciscar ein jähes Ende...
Virtuos, wenn auch in leisen Tönen, beschreibt Chirbes, wie sich
ein politisches System auf die individuelle Entwicklung von Menschen
auswirkt. Er hadert nicht; er rechnet nicht ab; er sucht nur zu
ergründen.
"Der Schuß des Jägers" (1996, Verlag Antje Kunstmann,
übersetzt von Elke Wehr) und
|